Vortrag Andreas Hetzel: Eine Pragmatik jenseits der Handlungstheorie


Vortrag Andreas Hetzel: Pragmatik jenseits der Handlungstheorie

ZEIT: Mi., 28.10.2009, 17.00 Uhr
ORT: Institut für Philosophie
Universitätsstraße 7, 1010 Wien
NIG, 3. Stock, Hs. 3D

 

Zur Beantwortung der Frage, was geschieht, wenn gesprochen wird, möchte ich eine Pragmatik jenseits der Handlungstheorie vorschlagen. Diese richtet sich insbesondere gegen einen instrumentalistisch verkürzten Begriff von Sprache, wie er für die Sprachpragmatik nach Austin, also etwa für John Searle, H. Paul Grice, Jürgen Habermas und Robert Brandom maßgeblich ist. Für diese Autoren ist Sprechen immer ein Handeln, und Handlungen werden durch das Vorliegen von Intentionen, durch die Befolgung von Regeln, durch ihr Eingebettetsein in Institutionen sowie durch ihre Verwiesenheit auf Begründungen expliziert. Diese handlungstheoretische Pragmatik erklärt Sprache jedoch in letzter Konsequenz reduktionistisch. Mentale Intentionen, diskursive Regeln, soziale Institutionen und rationale Strategien des Begründens werden als extrasprachliche Bedingungen der Möglichkeit des Sprechens hypostasiert und dem Vollzug des je konkreten Sprechens vorgeordnet; sprachliche Äußerungen realisieren oder aktualisieren diese extrasprachlichen Bedingungen in ihrem Vollzug. Sie sind dann nichts anderes als Realisierungen ihrer transzendentalen Möglichkeitsbedingungen. Um ein berühmtes Feuerbach-Zitat in der Terminologie Noam Chomskys zu reformulieren: Die Performanz wird (innerhalb der Sprechakttheorie) von der Kompetenz immer überwältigt.

Eine Pragmatik jenseits der Handlungstheorie würde das Verhältnis von Kompetenz und Performanz demgegenüber enthierarchisieren und von einer verwickelten Relation wechselseitiger Konstitution und Dekonstitution beider Pole ausgehen. Was Humboldt über die Begriffe schreibt, gilt für alle sprachlichen Einheiten: "Denn was der zweckmäßige Gebrauch dem Gebiet der Begriffe abgewinnt, wirkt auf sie bereichernd und gestaltend zurück."

 

Andreas Hetzel: Privatdozent für Philosophie an der TU Darmstadt, Lehrbeauftragter für Philosophie in Innsbruck sowie für Medienwissenschaften in Klagenfurt. Forschungs- und Veröffentlichungsschwerpunkte: Sprachphilosophie, antike Rhetorik, Politische Philosophie, Kultur- und Sozialphilosophie. Publikationen u. a.: Zwischen Poiesis und Praxis. Elemente einer kritischen Theorie der Kultur, Würzburg 2001; Hg. (mit Gerhard Gamm): Unbestimmtheitssignaturen der Technik, Bielefeld 2005; (mit Reinhard Heil): Die unendliche Aufgabe. Perspektiven und Grenzen der Demokratietheorie, Bielefeld 2006; (mit Jens Kertscher und Marc Rölli): Pragmatismus. Philosophie der Zukunft?, Weilerswist 2008; Negativität und Unbestimmtheit. Beiträge zu einer Philosophie des Nichtwissens, Bielefeld 2009.