Prag-Wien 1998


Austausch Wien -- Prag
Junge PhänomenologInnen in Tschechien

 

Die Gruppe Phänomenologie plant, gemeinsam mit dem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats Prof. Hans Rainer Sepp (CTS, Prag), im Sinne eines wissenschaftlichen Austausches zwischen Wiener und Prager KollegenInnen jüngere PhänomenologInnen nach Wien zu einem eintägigen Kolloquium im Sommersemester einzuladen. Dabei werden die unten genannten JungwissenschaftlerInnen ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte vorstellen können.
Zeit: 6. Juni 1998
Ort wird noch bekanntgegeben.

   Jakub Capek
Die Zeit in der Entscheidung und die Entscheidung in der Zeit    

Das Dissertationsprojekt stellt sich die Aufgabe, das Phänomen der Entscheidung in seinen verschiedenen Facetten aufzuzeigen. Die Ausgangsthese lautet, daß bezüglich eines Zugangs zu diesem Phänomen die zeitliche Struktur der Entscheidung einen brauchbaren Ansatzpunkt liefert: Ein phänomenologischer Aufweis dieser Zeitlichkeit könnte die Entscheidung in ihrer Wesensstruktur verständlich machen. Die Analyse derjenigen Zeit, die in der Entscheidung erscheint, vermag hinwiederum Wesentliches zur phänomenologischen Befragung der Zeit als solcher beizusteuern. Auf die Verschränkung dieser Fragen weist der Titel des Vorhabens hin. Die einzelnen Themenbereiche, die sich daraus ergeben, können wie folgt expliziert werden: die Gegenwart als die Zeit des Entscheidens, der Abstand von der Gegenwart als der Sinn für das Möglichsein, der Begriff der Möglichkeit, die Unableitbarkeit des Entschlusses, der schöpferische Aspekt der Entscheidung etc. Es werden u. a. Texte von Bergson, Heidegger und Ricoeur herangezogen werden.

   Karel Novotny
Das Problem der Freiheit in der Philosophie von Jan Patocka    

Der Begriff der Freiheit taucht in den Texten von Jan Patocka an wichtigen Stellen auf, dort nämlich, wo es darum geht, das Prinzipielle zu nennen. Dieser Befund fordert dazu auf, die Freiheit als ein Problem bei Patocka systematisch zu explizieren. Die ersten Schritte, die ich auf diesem Weg unternommen habe, führten mich dazu, die Freiheitsproblematik bei Patocka in zwei Kontexten zu situieren: 1. im Kontext von Patockas Versuchen der Erarbeitung einer Geschichtsphilosophie sowie 2. im Kontext seiner Überlegungen zur Möglichkeit einer nachmetaphysischen Philosophie, die in sein spätes Projekt einer asubjektiven Phänomenologie münden. Dort tritt die Freiheit in Verbindung mit einer phänomenologischen Epoché auf, in der sich erst der Bezug zur Welt im Sinn der Dimension des Erscheinens öffnet.

Was ist der Rahmen dieser Versuche Patockas? Es ist die Phänomenologie in ihrer Entwicklung, nicht verstanden als ein fertiges Konzept. Die beiden genannten Kontexte, die ich in der Chronologie, in der sie bei Patocka thematisch wurden, aufzeigen möchte, belegen, wie Patockas Standpunkt zwischen der Position Husserls, die von der Freiheit als der Autonomie des Menschen ausgeht, und derjenigen Heideggers, die diese Autonomie radikal in Frage stellt, oszilliert.

   Petra Stehlíková
"Handeln" bei Hannah Arendt und Martin Heidegger    

Das Ziel der Arbeit besteht darin, am Beispiel von zwei Autoren -- Arendt und Heidegger -- mit Verweis auf einen dritten der philosophischen Tradition, nämlich auf Aristoteles, zu zeigen, wie Handeln und Denken aufeinander bezogen sind bzw. wie das eine nur hinsichtlich des anderen zu verstehen ist und umgekehrt. Dabei soll auch in Betracht gezogen werden, inwiefern das Denken in der Einsamkeit und das Handeln in der Gemeinschaft (Pluralität) verlaufen. Gleichzeit müssen Begriffe interpretiert werden, die mit dem Handeln zusammenhängen und die bei Arendt im Vergleich zu Heidegger entweder radikalisiert oder sogar im umgekehrten Sinn aufgefaßt werden (z. B. Welt, Öffentlichkeit, Dauer).